KRANKHEITSBILD
Vererbung der angeborenen Hämophilie1
Hämophilie wird in den meisten Fällen von Betroffenen an ihre Kinder vererbt. Das Erbgut kann sich aber seltener auch spontan verändern.
Da Hämophilie zu den vererbbaren Erkrankungen gehört, lässt sich die Wahrscheinlichkeit, mit der Kinder betroffener Eltern erkranken, berechnen. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass alle wichtigen genetischen Informationen, die von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden, auf 46 Chromosomen gespeichert sind. Jeder Mensch besitzt 46 Chromosomen, die zu 23 sogenannten Chromosomenpaaren zusammengefasst und Träger der Erbinformation sind. 22 der Chromosomen sind doppelt vorhanden (somit total 44), die restlichen zwei sind die Geschlechtschromosomen: das X- und das Y-Chromosom. Frauen besitzen zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und ein Y-Chromosom.
Die Informationen über die Bildung der Gerinnungsfaktoren VIII und IX (Eiweiße, die in einer bestimmten Reihenfolge den Wundverschluss aktivieren) liegen auf dem X-Chromosom. Wird diese Information nun verändert, fehlt dem Körper der „Bauplan“ für den Faktor VIII und es kommt zur Hämophilie A – zumindest bei Männern, da diese nur ein X-Chromosom besitzen. Frauen hingegen besitzen auch ein zweites X-Chromosom - dieses kann die fehlerhafte Erbinformation auf dem ersten X-Chromosom ausgleichen. Darum kommt es bei Frauen fast nie zu einer Hämophilie, diese sogenannten “Trägerinnen” können die Erkrankung aber trotzdem an ihre Kinder weitergeben.
Es ist auch möglich, dass die Veränderung des Erbguts bei den Eltern noch nicht vorhanden war, sondern spontan im Erbgut der Kinder auftritt. Etwa ein Drittel der Hämophilie-Erkrankungen ist auf solche spontanen Veränderungen zurückzuführen.
Spontan erworbene Hämophilie2
In seltenen Fällen kann auch bei zuvor gesunden Menschen im Lauf des Lebens eine Blutungskrankheit auftreten. Dies geschieht im Rahmen von Fehlsteuerungen des Immunsystems. Anders als bei der angeborenen Hämophilie sind hier sowohl Männer als auch Frauen im fortgeschrittenen Alter betroffen. Charakteristisch für dieses Krankheitsbild sind ausgeprägte Einblutungen in Haut und Muskeln.
Bei der spontan erworbenen Hämophilie reagiert das eigene Immunsystem falsch gegen körpereigene Stoffe, wie zum Beispiel gegen den Gerinnungsfaktor VIII, seltener gegen den Faktor IX. Diese Stoffe werden plötzlich als fremd angesehen und dementsprechend attackiert. Die fehlgeleitete Immunreaktion führt dann zur Bildung von Abwehrstoffen, die Antikörper genannt werden – diese dienen eigentlich der Abwehr körperfremder Eindringlinge wie z.B.: Bakterien, Viren oder Pilze. Die Antikörper besetzen Oberflächenstrukturen des Gerinnungsfaktors und machen ihn dadurch unwirksam, weniger wirksam oder führen zu einem massiv beschleunigten Abbau des Faktors. Solche fehlgeleiteten Immunreaktionen können im Rahmen von Autoimmunerkrankungen oder bei bestimmten bösartigen Erkrankungen auftreten. In etwa der Hälfte aller Fälle kann keine genaue Ursache gefunden werden.
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